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Theresi Mosing mit dem Orchester in Japan

Unser Mitglied, Frau Thersi Mosing, hat das Orchester auf seiner Japan-Tournee begleitet und uns darüber folgendes geschrieben:

In diesem Teil meines Lebens bin ich flexibel mit Zeit, Geld und Terminen… vielleicht nicht innerhalb von Stunden, aber innerhalb weniger Tage kann ich mich frei machen für eine Traumreise. Und schon bald darauf sitze ich im Flugzeug nach Japan.
Wie schön, dass ich vereinsmäßig „Freundin“ des Mozarteumorchesters bin!
Ab Amsterdam sitzen wir alle in der gleichen Maschine, noch kenne ich niemanden außer den Orchesterdirektor, ihn allerdings schon zwei Jahrzehnte aus Zeiten, da wir beide noch im Schuldienst waren. Der Platz neben ihm ist frei, wir reden und reden und lachen (gibt’s das, dass wir 10.000 m über der Erde schweben Richtung Tokyo … ?) Die Musiker kenn ich nur vom Sehen, ich schau verstohlen zu ihnen hinüber und denk mir, wird es mir gelingen, mehr Nähe zu ihnen zu bekommen, so dass ich an ihrem Leben ein bisschen teilhaben kann?

Da spricht mich, beim Vorübergehen, der Konzertmeister an: ich kenn Sie, hab Sie schon oft gesehen, nett, dass Sie mit uns fahren.

Natürlich kenn ich ihn auch, freu mich über den Smalltalk, der uns beiden guttut: das Eis ist gebrochen. Acht Stunden Flug nach Japan, Amsterdam 20.00 Uhr, Tokyo 14.30 Uhr! Und um 17.00 Uhr sind wir im Hotel Metropolitan.

Nur nicht zu früh ins Bett, wird mir geraten, und ich soll mitkommen ins „Stammbeisl“. Also: kreuz und quer mit der U-Bahn, ein Stück zu Fuß um viele Ecken, ein paar Stufen abwärts, wir werden bereits erwartet, die Wiedersehensfreude mit den Restaurantbesitzern ist groß – man kennt einander seit Jahren.

Wir sind sieben Personen, und ich bin die Henne im Korb! Müdigkeit ade – das japanische Bier macht munter. Schälchen mit Soßen kommen auf den Tisch, allerlei Gewürze und knackiges Gemüse. Und dann geht’s los mit den Spießchen, jeder bekommt eines, nach 10 Minuten das nächste, es gibt keine Hast, nur Vorfreude auf die Köstlichkeiten.

Da bleibt auch viel Zeit zum Reden und zum Sein, wie man sich fühlt, und vor allem zum Biertrinken. Als wir nach Stunden den Heimweg antreten, taumeln unsere Seelen in angenehmer Müdigkeit dem Schlaf entgegen …

Erstes Konzert in der Cultural Hall. Nach der General­probe Kaffee im Dachgeschoß des Gebäudes mit atemberaubendem Blick über die Stadt. Ich lerne die beiden „Oboe-Damen“ kennen und wir plaudern ein paar Minuten, dann beginnt das Konzert. Auf dem Programm ist dreimal Mozart, zwei Symphonien und ein Violinkonzert.
Ich freue mich auf die „Haffner“, laß mich in sie hineinfallen – und schau auch auf das Publikum.

Die Japaner – viele kommen direkt aus ihren Büros mit Aktentaschen (Verkehrsprobleme in der 12 Millionen­ Stadt, einzig das U-Bahnnetz garantiert ein rechtzeitiges Ankommen) – sind diszipliniert in ihren Bewegungen und Gefühlen, sitzen wie die Kerzen, husten nicht, es herrscht Stecknadelstille, knisternde Konzentration.
Auch der Applaus vor der Pause ist verhalten, erst zum Schluß wird richtig geklatscht und um eine Draufgabe gebeten.

Und am Abend wird wieder gefeiert. Die Gesellschaft bittet einige Musiker zu einem Abendessen, es gibt Lobesreden und ich überreiche im Namen der Freunde das Geschenk, eine CD und die wunderschön gebundenen Vereins­nachrichten. Und wieder kommen ganz neue Köstlichkeiten auf den Tisch. Zu den Soßen, dem knackigen Gemüse und den Spießen aus Fleisch und Fisch gesellen sich Platten mit hauchdünnen Rindfleischscheiben, Tofuwürfeln und Gemüsestückchen. Töpfe mit simmernder Suppe werden gebracht und auf eine Tischflamme gestellt. Und jetzt gibt’s ein Fondue-Essen auf Japanisch namens Shabu­Shabu. Wir essen stundenlang so kalorienarm, daß der Bauch zufrieden ist und uns nicht müde macht.

Bier wird in Mengen nachgeschüttet, es öffnet Seelen und Kehlen, erzeugt Reden und Gegenreden, es fallen auch Kraftausdrücke, worüber ich lachen muß, und sogleich höre ich als Kommentar, daran müssen Sie sich bei uns gewöhnen, wir sagen ’s, wie wir’s fühlen.

Da spür ich, ich gehöre dazu, bald sagen wir Du zueinander, Ja vie est belle …
Die Stunden purzeln, irgendwann entscheide ich mich für eine Stadtrundfahrt, die im Hotel angeboten wird, bin aber letztlich enttäuscht: der Verkehr ist so gewaltig, dass ich fast nur im Bus sitze und im Stau stecke. Wie auch immer, die Musikerfamilie ist mir wichtiger.

Die nächste Generalprobe, das nächste Konzert, ein Ohrenschmaus, ein Augenschmaus – wieso werden wir von Mal zu Mal besser, wieso wachsen wir so zusammen?
Und wieder im Stammbeisl wird mir klar, Musikerseelen können (und müssen wohl!) umschalten von höchster Konzentration und Disziplin auf fröhliche Ausgelassen­heit. Wie gut ich das auch kann! (Ich kenn’s von mir). Diesmal wird gefeiert: Marcus Pouget hat Geburtstag. Er ist 33 Jahre alt, schon Vater von vier Kindern, wir lassen ihn hochleben und es wird viel fotografiert. Das geht besonders gut, denn wir sitzen an der Bar, der fröhlich­fleißige Koch in der Mitte. Mit unglaublicher Geschwindigkeit bereitet und grillt er sein Spießchen und versorgt uns mit allem, was ausgegangen ist. Und lässt uns auch nicht verdursten.

Mozarteumorchester Japan

Was es hierzulande nicht gibt und ich vermisse, sind Kuchen und Torten, wie wir sie machen, aber an diesem Tag gibt’s doch eine Geburtstagstorte zu später Stunde, das Vergnügen nimmt kein Ende.

Ich lerne Herbert kennen und Akiko, Hagen und Martin, und sogar den Konzertmeister der Volksoper, der auch zufällig hier ist, und viele andere. Und es gibt eine Reihe von Fotos.

Und wieder purzeln die Stunden, endlich wird der Tag zum Tag und die Nacht zur Nacht: der Jetlag ist weg.

Da heißt’s auch schon packen und noch am Abend den Koffer vor die Tür stellen, ich gehe geh ich ins Bett und am nächsten Morgen finden wir uns alle mit Minigepäck im Zug nach Osaka.

Es geht schnell, Tokyo – Osaka in 3 Stunden, wir beziehen das erstklassige Hilton und finden in unseren Zimmern – unglaubliches Service in Japan – die „gestrigen“ Koffer vor.

Generalprobe mit Isabelle Faust, einem jungen Mädchen in Bermudas und Jeansjacke. Es wird nur kurz geprobt, ich höre ein paar Takte von Isabelle, die mich verzaubern, und ich bin neugierig auf das Konzert.

Das Programm in Osaka ist anders, es gibt das Violinkonzert in e-Moll von Mendelssohn, vorher Haydns „Symphonie Nr. 102″ und nachher die „Jupiter“ von Mozart. Ich erlebe die Vorstellungen jetzt anders, meine Vorfreude beginnt, wenn das Publikum schon ruhig und die Bühne noch leer ist. Der Konzertmeister erscheint als Erster und erfüllt mit seinem Charme und Lächeln den Bühnenraum (immer mit einem ganz kurzen Blick hinunter), die Damen und Herren in elegantem Schwarz-Weiß folgen ihm, nehmen ihre Plätze ein, stimmen ihre Instrumente.

Nochmals Stille und Erwartung, dann allgemeiner Applaus – der Maestro hat die Bühne betreten, nippt an den Vorschußlorbeeren und gibt den Einsatz zum Adagio. Sie spielen von Tag zu Tag besser, denke ich, wann hab ich je Gelegenheit im Konzert zu sein und Unterschiede zu erkennen?

Applaus – Pause – die Solistin erscheint.  Isabelle, die gertenschlanke junge Frau im rotschillernden Kleid, mit lustigem Kurzhaarschnitt und fröhlichem Lächeln. Alles an ihr wirkt einfach und unkompliziert (und wie ich später weiß, so ist sie auch).
Ein paar Orchestertakte und ihre Geige erklingt. .. , und nun sind ihre Augen geschlossen. Was für eine herrliche Verschmelzung des Orchesters mit der Geige. Der Maestro holt sich die Töne aus den Herzen und läßt die Violine umschmeicheln, unendlich einfach, unendlich gekonnt. Ich versinke in die Gefühlswelten meines Lebens, in die höchsten und in die tiefsten und bin demütig – Isabelle spielt aus einer anderen Welt.

Und plötzlich, nach dem letzten Ton, nach der Verbeugung, ist sie wieder die charmante junge Dame, der Maestro küsst sie auf die Wangen, der Konzertmeister küsst ihre Hand, das Publikum tobt, sie frohlockt über so viel Applaus, verlässt mit den Blumen die Bühne, kommt -geht, kommt – geht, setzt an zur Draufgabe – die Pause beginnt. ..

Ich kann mich gar nicht rühren, nur ein paar Worte wechseln mit dem Orchesterdirektor und dem Manager. Da erscheint Isabelle im einfachen langen Baumwollkleid und setzt sich zu uns. Wir reden nichts, wir umarmen sie, es gibt nichts zu reden …

Und hören noch Mozarts Jupiter-Symphonie, das Konzert ist zu Ende.
Am nächsten Tag wird in einer Schule gespielt vor kunstbegeisterten Jugendlichen und ihren Lehrern. Die Schülerinnen spielen selbst schon Instrumente. Sie wollen diesmal nicht nur zuhören, sondern auch allerhöchste Ratschläge für ihr eigenes Musikstudium bekommen.

Also versammeln sich die Musiker hinter der Bühne, die Mädchen sind schon da mit ihren Instrumenten, und Markus Tomasi teilt ein: erste Geige, zweite Geige …

Und Herr Soudant dirigiert höchstpersönlich. Er dirigiert und singt das Fehlende dazu, denn es spielen zum Teil Anfänger, die sich plagen und plagen. Aber es geht nicht ums Können, sondern um die Mo­tivation, um das Überspringen des Funkens, der vielleicht Feuer entzündet. ..

Das allerletzte Konzert – im Bus Richtung Hotel ver­abschiede ich mich. Vier Tage in Tokyo und vier Tage in Osaka waren lang und ereignisreich.

Am Abend findet Direktor Nieses und meine Abschieds­einladung zum Shabu-Shabu-Essen im Hotel gegenüber statt. Hauchdünne Rindfleischscheiben vom feinsten, Tofuwürfel, viel Gemüse, allerlei Soßen und Gewürze, Bier, ausnahmsweise ein Glas Wein, zum Abschluss Zitronensorbet, das Halbgefrorene, grüner Tee und Sake, der japanische Reiswein, der mir schmeckt und von dem ich immer nur zwei Zentimeter nehme.

„I am so pleased to have you as my guests …. „

Jetzt freue ich mich wieder auf Wien, ich bin erst vor einem halben Jahr von Salzburg dorthin gezogen. Meinen Flug trete ich alleine an über London nach Wien, die anderen über Zürich nach Salzburg. Acht Stunden über Sibirien, die unangenehm grelle Sonne, die immer an ihrem Platz bleibt und mitteilt, die Zeit, die jünger wird statt älter, alles nüchtern musiklos – ich fühl mich unbeweglich und kalt, allein und irgendwie gelähmt.
Endlich in Wien angekommen, ist der Spuk vorbei. Und ich denk, vielleicht gibts eine andere Orchesterreise wieder mit mir.