Mozarteumorchester Salzburg > Interviews > Álvaro Canales Albert
Im Juni 2022 spielte in einem Konzert des „Orchesterprojekts“ von Wolfgang Danzmayr in Lehen ein junger Mann brillant das Fagott im Duett-Concertino von Richard Strauss. Da war Álvaro Canales Albert schon seit 1. Oktober 2021 neben Philipp Tutzer zweiter Solofagottist des Mozarteumorchesters, nun hat er das Probejahr glänzend absolviert. Der Duett-Partner war übrigens ebenso virtu-os Soloklarinettist Ferdinand Steiner.
Wir treffen uns im Orchesterhaus in einer Probenpause und ich mache Álvaro gleich das Kompliment, dass sich sein Deutsch bereits hören lassen kann. Da ich leider über keine nennenswerten Kenntnisse seiner Muttersprache Spanisch verfüge, unterhalten wir uns sehr gut in einer deutsch-englischen Mischung. Der sympathische Musiker kommt aus Callosa de Segura, das ist eine schöne kleine Stadt – „mehr ein Dorf“ – in der Provinz Alicante. In seiner Familie, die aus vielen Lehrerinnen und Lehrern, aber auch aus Baumeistern besteht, gibt es die alte Tradition, ein Musikinstrument zu erlernen und mitunter sogar zu komponieren. In der Hauptsache sind es Blasinstrumente, doch auch der Kontrabass kommt vor. Das hat mit der örtlichen „Grupo de música“ zu tun, also mit der traditionellen Blasmusikkapelle, die zu allen geistlichen und weltlichen Festlichkeiten populäre Stücke spielt. Àlvaros Mutter ist Oboistin, ein Cousin Fagottist – und eines Tages brauchte man eine Verstärkung in der Fagottgruppe. „Ich wusste sofort, das ist mein Instrument. Auch mein geliebter Großvater war sehr dafür.“ Der Weg zur Karriere als professioneller Bläser ist in Spanien also oft kein anderer als der in den Alpenländern. Die Volksmusik ist in ganz Europa ein wertvoller Humus der sogenannten Klassik.
Der fröhliche und begabte Knabe lernte sein Instrument von der Pike auf, besuchte später Musikschulen in Murcia, Pamplona und schließlich das Konservatorium im baskischen San Sebastian, wo der Lehrer David Tomás sehr wichtig für ihn war. Darauf folgte bis heute das Masterstudium an der Zürcher Hochschule der Künste bei Matthias Racz. „Ich habe nur ein Jahr wirklich in Zürich gelebt, aber es war beeindruckend“, erzählt Álvaro, der die Schweizer Landschaft und Eigenart sehr imposant findet. Hin und wieder hat er auch im Tonhalle-Orchester Zürich als Substitut mitgespielt. Und dann kam schon die Verpflichtung nach Salzburg, zunächst mit einem Zeitvertrag. Nun fühlt er sich hier sehr wohl: „Ich schätze das Mozarteumorchester und seine große Tradition sehr. Und ich liebe es, mit den Kolleginnen und Kollegen Musik zu machen – wir sind eine tolle Gruppe!“ Als Dirigenten beeindrucken ihn besonders sein Landsmann Roberto González-Monjas und der Brite „Matthew Halls, mit dem wir das Weihnachtsoratorium von Bach gemacht haben.“
Àlvaro Canales Albert, um wieder einmal seinen ganzen klangvollen Namen zu nennen, hat eine starke Beziehung zur Musik Wolfgang Amadé Mozarts, dessen „wunderschönes Fagottkonzert“ er schon in Sevilla mit dem dortigen Orchester erfolgreich aufgeführt hat. Besonders gerne wirkt er auch in den großen Klavierkonzerten des Salzburger „Genius loci“ mit. Zu seinen Lieblingskomponisten zählen außerdem Antonio Vivaldi, der nicht weniger als 37 dankbare Konzerte für Fagott geschrieben hat, und Igor Strawinsky – „es war eine große Freude, jetzt seine Pulcinella-Suite zu spielen!“ Dagegen ha-ben die spanischen Komponisten sein Instrument leider etwas stief-mütterlich behandelt. Was er allerdings sehr mag, ist der Flamenco. Und die neue Musik? „Ja, wenn sie gut komponiert ist, wie zum Beispiel die von Jörg Widmann!“ Kammermusik ist ebenfalls ein wichtiger Teil seines Musikerlebens. Den Jazz findet er „sehr interessant“ und er würde sich gern mehr damit beschäftigen. Zum Musiktheater hatte er bisher wenig Beziehung, „aber ich bin drauf-gekommen, dass man von den singenden Menschen sehr viel lernen kann, zum Beispiel was die für uns Bläser ja ebenfalls sehr wesentliche Atemtechnik betrifft.“
Was macht Àlvaro Canales Albert, wenn er gerade nicht mit dem Fagott beschäftigt ist? „Auch privat höre ich häufig Musik, nicht nur klassische. Popmusik kann durchaus was schönes sein.“ Er ist aber auch sehr sportlich, fährt gerne Ski, besteigt Berge und ist viel mit dem Rad unterwegs. Seine Leibspeise sind die heimatlichen Tortillas, die er oft mit viel Liebe selbst zubereitet.
Stand: