Die Vielfalt des künstlerischen Lebens

Gottfried Franz Kasparek im Gespräch mit Carina Samitz

Seit Februar 2020 ist Carina Samitz im Künstlerischen Betriebsbüro des Mozarteumorchesters tätig. Sie ist mit der Detailplanung der Produktionen beschäftigt und hat nun nach dem Pensionsantritt von  Gabi  Fischer  auch  die  Jahresplanung  übernommen. „Diese Arbeit ist sehr vielseitig und macht mir großen Spaß“, erzählt sie. „Aber ich habe meine Flöte nicht an den Nagel gehängt. Derzeit spiele ich zwar leider fast nur für mich zuhause und unterrichte online Flöte für die Musikschule Berchtesgaden. Anders ist dies ja in diesen Corona-Zeiten nicht möglich. Ich pendle zwischen Heimarbeit und Büro, wie so viele. Hoffentlich dürfen wir bald wieder öffentlich musizieren!“

Ich habe Carina Samitz vor etwa fünf Jahren bei einem sehr netten Gespräch im Café als junge, aufstrebende Flötistin kennen gelernt. Sie hat 1991 in Spittal in Kärnten das Licht der Welt erblickt. Musik lag sozusagen in der Luft, denn der Vater ist Musiklehrer am Gymnasium in Spittal und leitete dort auch unter anderem mehr als 30 Jahre lang eine Schüler-Bigband. „Ich bin quasi mit der Musik aufgewachsen“, meint sie, „schon als kleines Mädchen faszinierte mich eine Platte mit Prokofjews ‚Peter und der Wolf’. Nicht nur die Geschichte, sondern besonders die Flöte, die für das kleine Vögelchen zuständig ist, hat mich sehr in den Bann gezogen. Ich wollte sofort Querflöte lernen. Aber meine  Finger waren noch zu klein, also begann ich zunächst mit dem Klavier. Im  Jahr 1999 war es dann endlich soweit, dass ich in meiner Heimat Querflöte lernen konnte, zunächst in Spittal, dann in Villach bei Lorenz Pichler, der die Weichen für mein Studium am Mozarteum in Salzburg gestellt hat. Dort studierte ich dann bei Bernhard Krabatsch, dem Soloflötisten des Mozarteumorchesters. Nach meinem Bachelor-Abschluss 2013 wechselte ich für das Masterstudium nach Zürich zu Philippe Racine, im Orchesterfach. Mit einem Erasmus-Stipendium konnte ich auch ein Jahr in Paris in der Klasse von Philippe Bernold verbringen. Das waren alles wesentliche Erfahrungen, die mir sehr viele neue Facetten  des Flöten-, Ensemble- und Orchesterspiels gezeigt haben. Und als Bonus konnte ich auch unterschiedliche Kulturen kennen lernen sowie mein Schulfranzösisch auffrischen.

Wichtige Erfahrungen sammelte Carina  Samitz auch im Zürcher Opernorchester – „Donizettis ‚Lucia di Lammermoor’ mit dem unvergesslichen Maestro Nello Santi war ein Höhepunkt“ –  und eine Saison lang  als Praktikantin im Berner Sinfonieorchester als Flötistin und am Piccolo. Dazu kamen immer wieder  spannende Produktionen als Aushilfe im RSO Wien, bei den Opernfestspielen im bayrischen Gut Immling und auch in der Camerata Salzburg. „Schließlich landete ich beim Symphonieorchester Vorarlberg, wo damals Thomas Heißbauer Geschäftsführer war. So lernte ich auch das Leben in einem sehr guten  Projektorchester näher kennen.“ Mit einem Startstipendium des Bundesministeriums für Kunst und Kultur im Bereich Kulturmanagement hat Carina Samitz sich in Bregenz ab Oktober 2017 auch ihr „zweites Standbein“ erarbeitet.

Wie kommt eine leidenschaftliche Flötistin ins Kulturmanagement? „Nach der Rückkehr aus Paris wollte ich einfach noch etwas Zusätzliches lernen“, meint Carina Samitz, „was im Rahmen einer Studienergänzung in Salzburg auch möglich war. Allerdings ging es da mehr um die freie Szene im allgemeinen Kulturbereich und um Bildende Kunst, was natürlich auch toll ist, aber nicht mein Berufsziel. Also kümmerte ich mich selbst darum und lernte die Sache mehr nach dem guten alten Prinzip des ‚Learning by doing’. Eine Motivation dazu waren auch die Erfahrungen, die ich bei meinen vielen Probespielen in aller Welt gemacht habe. Man sieht dabei immer wieder dieselben Leute, die sich um relativ wenige freie Stellen bewerben. Auch wenn man gut ist, braucht es viel Glück, eine gute Tagesverfassung und man muss den Geschmack der Jury treffen. Auch als Zweitplatzierte geht man leider leer aus.“

In Bregenz wirkte Carina Samitz sowohl als Soloflötistin als auch als Mitarbeiterin der Verwaltung. „So war ich bei der denkwürdigen Aufführung von Gustav Mahlers 8. Symphonie unter Kirill Petrenko im Juni 2019 im Hintergrund des Podiums in der Planung und der Betreuung der Mitwirkenden aktiv. Für  den charismatischen Maestro durfte ich dann als persönliche Assistentin bei seinem Antrittskonzert  als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, bei einem Open Air-Konzert vor dem Brandenburger Tor und bei den anschließenden Konzerten bei den Luzerner und den Salzburger Festspielen tätig sein. Zum Abschluss des Mahler-Zyklus in Bregenz darf ich dann auch als Flötistin unter seiner Leitung die  Neunte spielen, die für Oktober 2020 geplant war und verschoben werden musste. Hoffentlich kann sie bald stattfinden!“ Da halten wir kräftig die Daumen! Gibt es auch im Mozarteumorchester die Möglich-keit, vom Bürotisch an ein Orchesterpult zu wechseln? „Theoretisch ja, aber das ist natürlich ein Zeitproblem. Vielleicht ergibt es sich einmal bei einer Tournee, schön wäre es auf jeden Fall, wieder mitspielen zu dürfen.“

Aber Carina Samitz ist auch in Ensembles weiterhin tätig. Das „ensembleplus“ stammt aus Vorarlberg und spielt zeitgenössische Musik, „etwa Uraufführungen von Werken Richard Dünsers und junger Vorarlberger Komponistinnen und Komponisten. Ich spiele generell sehr gerne Musik unserer Zeit und habe sogar eine meiner Bachelorarbeiten dem Thema der modernen Spieltechniken auf der Flöte für Kinder gewidmet. Auch in Bern spielte ich immer wieder Neue Musik. Ein Highlight ist für mich die Sonatine für Flöte und Klavier von Pierre Boulez, einem Meilenstein des modernen Flötenspiels. Auch Uraufführungen für Flötensoli mit Ensemble durfte ich bereits spielen, darunter ein Werk des holländischen Komponisten Hardy Mertens für Flöte, Singvogel, Erhu und Ensemble sowie ein Stück für  Flöte  und  Brassquintett  –  das war ein Geburtstagsgeschenk meines Bruders, das er selbst komponiert hat.“ Das zweite Ensemble ist ein schönes Kontrastprogramm dazu: „In einem Konzert des Wiener Jeunesse-Orchesters führten wir 2011 Rimsky-Korsakows ‚Scheherazade’ auf. Die Solokadenz für Flöte und Harfe spielte ich damals  gemeinsam mit der Kärntner Harfenistin Elisabeth Daxer. Wir verstanden uns auf Anhieb so gut, dass wir ein Folkmusikduo gründeten.“ Das Duo nennt sich „CarEli“ und ist seit 2013 regelmäßig erfolgreich unterwegs. Am Programm steht „viel Irisches, aber auch andere Volksmusik in Arrangements sowie Klassik und Filmmusik. Wir machen sozusagen musikalische Weltreisen, verwenden Folk-Instrumente  wie Tin  whistle, Basusri oder irische Volksharfe und singen – mitunter auch auf Walisisch und Japanisch! Hoffentlich dürfen wir bald wieder außerhalb des Wohnzimmers auftreten!“

Wie steht es mit der berühmten Kärntner Volksmusik? „Ich kann schon auch ‚karntnarisch red’n’ und singen“, so versichert die sich sonst im gepflegtem Hochdeutsch ausdrückende Musikerin glaubwürdig und mit Charme und Witz, „und früher habe ich im Jugendchor und der Blasmusik-Kapelle viel Volksmusik kennengelernt, aber selber bin ich in diesem Bereich derzeit nicht so aktiv.“ Allerdings wird sie von der heimatlichen Musik gleichsam umkreist. „Ich bin sehr froh darüber, dass ich jetzt fix in Salzburg angestellt bin, denn mein Freund lebt nicht so weit weg in Kärnten, spielt als Hobby Steirische Harmonika und singt in einem Männergesangsverein. Für die Kombination Flöte und Steirische habe ich auch schon Arrangements für Volkslieder bekommen – ein Weihnachtsgeschenk meines Bruders Nico, der Trompeter ist. Also schauen wir einmal, was draus noch alles wird.“

Gibt es weitere Lieblingsstücke der Flötistin Carina Samitz? „Ja, vor allem solche aus dem französischen Impressionismus, von Debussy und Jolivet. Im Orchester liebe ich ganz besonders Schostakowitsch, Strawinsky und Richard Strauss.“ Bleibt bei zwei erfüllen-den und ausfüllenden Berufen noch Zeit für andere Hobbys? „Ich mach sehr gerne Yoga, lese viel und liebe japanische Animationsfilme. Zur Entspannung widme ich mich mitunter auch Brett-, Karten- und Würfelspielen. Und gerade in dieser Zeit der vermehrten Häuslichkeit habe ich wieder mehr zum Kochen begonnen. Sushi und Kärntner Kasnudeln standen da schon öfter am Programm und haben großen Anklang gefunden.“ Also bleibt mir noch, Carina Samitz natürlich Gesundheit und viel Freude und Erfolg in ihren so vielfältigen Aufgabenbereichen zu wünschen!

Stand:

2021