Jericho lässt grüßen

Peter Branner im Gespräch mit Christian Winter

Das biblische Bild von durch Trompeten- und Posaunenschall einstürzenden Mauern im alten Jericho kommt einem in den Sinn, wenn die Blechbläsergruppe des Mozarteumorchesters richtig loslegt – wie zuletzt bei einer Bruckner Symphonie im Großen Festspielhaus. Heutzutage sind es mehr die emotionalen Mauern, die durch den festlichen Glanz des strahlenden Blechs niederbrechen. Da liegt es dann auf der Hand, einen Vertreter der Posaunengruppe zum Gespräch zu bitten. Christian Winter ist seit Juli 2013 fix im Orchester.

Den bescheidenen jungen Mann (Jg. 1988) verrät sofort der oberösterreichische Tonfall und Vöcklamarkt stellt sich als Heimatort heraus. Begonnen hat es, wie bei fast allen aus dem ländlichen Raum stammenden Bläsern, in der Musikkapelle des Ortes. Schon der Vater, der in einer Bank arbeitet, spielt Posaune und Tuba in der örtlichen Kapelle und auch bei der Tanzlmusi. Der Sohn will’s auch wissen und geht in den Musikunterricht in Frankenmarkt. Eines Tages steht ein ihm unbekannter Herr vor der Tür. Es stellt sich heraus, dass Christians Musiklehrer seinen ehemaligen Lehrer eingeladen hat, um ihm ein besonderes Talent zu zeigen. Die Begegnung mit Josef Kürner, ehedem Soloposaunist des Bruckner-Orchesters und nun Unterrichtender an der Bruckner Privat Universität Linz war jedenfalls nachhaltig. Sicherheitshalber erlernt Christian Winter dreieinhalb Jahre lang den Beruf eines Chemieverfahrenstechnikers bei der Lenzing AG. Er ist sozusagen das wachsame Auge für den Ablauf chemischer Prozesse.

Nebenbei kann er in Ensembles mitspielen und lernt an Kollegen, die er als seine Vorbilder bezeichnet, den Beruf des Musikers näher kennen. Darin sieht er nun auch sein Ziel. Nach dem Präsenzdienst in der Militärmusik geht es nahtlos zum Hauptstudium bei Prof. Kürner. Der Satz „Es ist nie fad geworden“ sagt eher etwas über seine Ernsthaftigkeit und seinen versteckten Enthusiasmus aus. Mit 17 Jahren spielt er dank Prof. Kürner beim International en Orchesterinstitut Attergau und das gleich unter Riccardo Muti. Noch während des Studiums beginnt seine Tätigkeit als Substitut. Wiederum ist es Prof. Kürner, der ihn dem Mozarteumorchester empfiehlt und damit sein allererstes Engagement im November 2010 für die England-Tournee bewirkt. Die 6. Beethoven, die 2. Brahms und Schuberts Unvollendete sind damals neue Stücke für ihn. Wer meint, Christian Winter wäre so als Ergänzung mit dabei, der irrt. Er sitzt an der 1. Posaune! Er kann gleich seine Fähigkeiten voll zeigen und sich damit einen guten Namen erwerben.

Beim Attergauer Kultur-Sommer darf er das Solo in der 3. Mahler mit dem Uni-Orchester Linz unter Andrés Orozco-Estrada spielen. Dieser ist Chef der Niederösterreichischen Tonkünstler. Die Folge ist auch dort ein Engagement. So nebenbei erwähnt Christian Winter, dass er bereits im Staatsopernorchester und bei den Wiener Philharmonikern gespielt hat. Unter Franz Welser-Möst ist er bei einer Tournee in Deutschland, Kanada und den USA mit dabei. Das sind großartige Erlebnisse für einen jungen Musiker, der solche Ereignisse noch wenige Jahre zuvor nur aus dem Fernsehen kannte.

Das Gespräch dreht sich um die verschiedenen Typen von Posaunen und der interessierte Zuhörer erfährt von den Stimmlagenbezeichnungen wie beim Gesang. Christian Winter spielt Tenorposaune mit Verpflichtung zur Altposaune. Zusätzlich spielt er Basstrompete und Euphonium. Mit Ersterer konnten wir ihn anlässlich der Wagner-Gala bei der 2. Sonntagsmatinee erleben und beim „Heldenleben“ von Richard Strauß betätigte er das Euphonium.

Würde ihn ein Auftritt bei einem Solokonzert reizen?

„Durchaus, wenn es sich ergibt. Aber vorher möchte ich noch im Orchester richtig Fuß fassen.“ Kennt er Lampenfieber? Spannung ja, Lampenfieber nein. „Wenn man die Bestätigung erhält für seine Arbeit und es passt, was man tut, freut man sich auf das Spielen und man braucht dann nicht mehr nervös zu sein.“

Wieder so ein Satz, der eine Sicherheitfrei von Überheblichkeit – verrät und von einer tiefen inneren Begeisterung für seinen Beruf getragen ist.

Stand:

2014