Mozarteumorchester Salzburg > Interviews > Elen Guloyan
Es war die Liebe, welche die Bratscherin Elen Guloyan nach Salzburg geführt hat. Ihren Mann, ebenfalls Bratscher, hat sie zwar 2013 im deutschen „Balthasar Neumann Orchester“ kennengelernt, aber Firmian Lermer gehört zur Stammgruppe der Camerata Salzburg. „Es war ein großes Glück, dass ich vor zwei Jahren eine Stelle im Mozarteumorchester bekommen habe und das Probejahr bestanden habe,“ erzählt die charmante Musikerin bei unserem Treffen in einem Café in der Nähe des Orchesterhauses, wo sie gerade mit Maestro Leopold Hager und dem Bariton Rafael Fingerlos Mozart-Arien für eine CD probt. „Ich fühle mich sehr gut im Orchester und in der Bratschengruppe. Wir sind wie eine kleine Familie, alle sind kollegial, lieb und respektvoll und wir können auch miteinander lachen!“
Der Weg nach Salzburg führte über drei Kontinente. Denn das Licht der Welt erblickte Elen Guloyan im damals noch sowjetischen Armenien – sozusagen als „Orchesterkind“. Beide Eltern wirkten im Nationalorchester in Eriwan: „Die Mutter als Geigerin, der Vater als Hornist. Seit seiner frühesten Kindheit war Musik immer da und ich war sehr oft in den Probenräumen. Zunächst begann ich, Geige zu lernen, in der Musikschule SAYAT-NOVA in Eriwan. Da meine Mama der Meinung war, meine Hände seien zu groß für die Violine, wechselte ich zur Viola. Ich habe allerdings die Geige nicht an den Nagel gehängt. Es macht mir große Freude, zwischen den beiden Instrumenten hin und her zu wechseln. Im Orchester spiele ich nur Bratsche, aber in der Kammermusik und bei anderen Projekten nach wie vor auch Geige.“
Im Jahr 1999 wanderten ihre Eltern nach Argentinien aus, wo sie hauptsächlich in der Kammermusik und der Musikpädagogik tätig waren und wo ihre Mutter und ihr Bruder, der Hornist ist, bis heute leben: „Wenn ich nach Hause fahre“, meint sie, „fahre ich nach Argentinien in die Stadt Neuguén, das ist in Patagonien, 1800 Kilometer südlich von Buenos Aires. Nach Armenien komme ich leider nur sehr selten, aber vielleicht ergibt sich in der näheren Zukunft dort die Leitung einer Meisterklasse.“ Ich bewundere das perfekte Deutsch Elen Guloyans. Sie spricht neben ihrer Muttersprache Armenisch auch Russisch, Deutsch, Englisch, Spanisch und Portugiesisch – in den meisten dieser Sprachen schreibt und liest sie auch. Ich stelle zum Beispiel fest, dass man die polyglotte Künstlerin weder mit Shakespeare noch mit Goethe-Zitaten in Verlegenheit bringen kann.
Vom fünfzehnten bis zum achtzehnten Lebensjahr spielte Elen Guloyan bereits im Kammerorchester von Neuguèn, dann wurde sie ins Sinfonieorchester des Schleswig-Holstein-Festivals engagiert, wo sie von Dirigenten wie Christoph Eschenbach und Valery Gergiev prägende Eindrücke empfangen hat. Weiter studiert und ihr Diplom gemacht hat sie in Frankfurt am Main bei Ingrid Zur und Jörg Heyer. „Das ist eine sehr vielfältige Stadt“, meint Elen Guloyan, „mit viel Kultur. Sogar im berüchtigten Bahnhofsviertel findet man interessante kleine Bühnen.“ Schon in Schleswig-Holstein war sie als Solobratscherin tätig. 2005 machte sie ein Praktikum im Orchester des Staatstheaters Darmstadt, wo sie schließlich bis 2019 eine Solostelle innehatte. Besonders gerne erinnert sie sich an ihren ersten Chefdirigenten dort, Constantin Trinks, der ein großartiges „Rheingold“ einstudierte – und ja, Elen Guloyan spielt sehr gerne Wagner, in Darmstadt gab es den kompletten ’Ring‘. „Aber ich liebe auch italienische Oper! Das ist etwas für die Seele, das macht etwas mit mir. Überhaupt Oper, das kann etwas ganz Großes sein, wo alle Künste zusammenkommen. Theater ist sehr spannend. Für mich ist Oper jedes mal ein Erlebnis, weil jeder Abend anders ist. Und ich schaue auch gerne auf und hinter die Bühne.“
Nach neun Jahren Solobratsche in Darmstadt ist Elen Guloyan nun im Mozarteumorchester Tutti-Spielerin, „aber das macht nichts. Für mich ist es einfach wichtig, Musik machen zu dürfen, auch wenn es manchmal am fünften Pult stattfindet. Und es ist schön, dass mir die Stelle viele Freiräume lässt für Kammermusik und andere Gastspiele.“ Im Konzertbereich liebt sie besonders Mahler – wir freuen uns beide auf dessen 3. Symphonie im Herbst -, Schubert, Schumann, Schostakowitsch und Prokofjew, der für sie „ein ganz besonderer Komponist“ ist. Auch ihr berühmtester Landsmann unter den Komponisten, Aram Chatschaturjan, hat „sehr schöne Musik“ geschrieben, so spielt sie gerne seine Bratschensonate. Und Mozart, Salzburgs Hausgott? „Natürlich liebe ich Mozart Aber ich verstehe nicht, warum man immer nur dieselben Stücke spielt. Es gibt ja nicht nur die Jupiter- oder die Haffner-Symphonie, sondern viele andere, die nur sehr selten am Programm stehen, obwohl sie auch tolle Stücke sind. Das betrifft auch Joseph Haydn.“ Da kann ich ihr nur beipflichten!
In ihren Frankfurter und Darmstädter Jahren ist Elen Guloyan als Mitglied des „Adorno Streichquartetts Frankfurt“ und des „EOS Trios“ erfolgreich aufgetreten, auch bei internationalen Gastspielen. Nun musiziert sie im „Constanze Quartett“, einer Vereinigung von vier Frauen, mit der sie schon sämtliche Streichquartette von Johann Michael Haydn eingespielt hat - „hoffentlich erscheint die Aufnahme bald“ - und gerade an der Ersteinspielung sämtlicher Streichquartette der deutschen Romantikerin Emilie Mayer für das Label cpo beteiligt ist. Denn auch die Musik oft unterschätzter Komponistinnen ist ihr ein großes Anliegen. Doch ebenso Stücke zu Unrecht vernachlässigter Komponisten. Mieczyslaw Weinbergs beeindruckendes Oeuvre erlebt immerhin derzeit eine echte Renaissance; Elen Guloyan erarbeitet gerade dessen Violasonate.
Mit ihrem Mann und ihren Kindern, zwei Mädchen, lebt Elen Guloyan im nahen Oberösterreich, in Lochen im Norden des Mattsees in einem Haus „mit Blick auf die Kirche“. Sie liebt es, im Garten Gemüse anzubauen und ihre Hühner zu pflegen, wie sie überhaupt sehr gerne in der Natur ist und im See schwimmt. Neben dem Lesen, derzeit meist in deutscher Sprache, hat sie noch ein künstlerisches Hobby: „Am liebsten fotografiere ich Menschen, die nicht merken, dass sie gerade fotografiert werden. Aber auch sonst bin ich gerne mit der Kamera unterwegs.“ Gibt es einen besonderen Zukunftswunsch? „Vielleicht schon. Ein eigenes Festival! Am Mattsee steht im malerischen kleinen Dorf Gebertsham eine wunderschöne gotische Kirche. Sie ist zwar sehr klein, aber man müsste da rund herum etwas machen!“
Wie schade, dass die Probenpause gleich vorbei ist, denn man könnte mit Elen Guloyan wohl noch ein paar Stunden über das Leben, die Kunst und die Natur plaudern.
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