Vielseitig und vielsaitig unterwegs

Zuletzt berichtete Götz Schleifer eindrucksvoll über die Japan-Tournee des Mozarteumorchesters im September. Daran teilgenommen hat auch Dr. Herbert Lindsberger, der seit 1993 dem Orchester als Bratscher an gehört. Für ihn stand Japan im November ein weiteres Mal auf dem Reiseprogramm und er kann von Erlebnissen berichten, die einem wahrscheinlich nur einmal im Leben widerfahren. Was war für Sie das Besondere an dieser Tournee?

Das Einmalige für mich war, dass ich Mozarts Bratsche im Auftrag der Stiftung Mozarteum spielen durfte. Die Spannung begann bereits in Salzburg, wenn du plötzlich dieses Instrument in Mozarts Geburtshaus aus einem Tresor in die Hände gelegt bekommst. Da geht es nicht mehr bloß um die Qualität des Instruments, es ist diese besondere Aura, die das Ganze umgibt. Darauf ein Werk von Mozart zu spielen, all dies ist für einen Instrumentalisten wohl das Höchste. Mit meinen Kollegen Frank Stadler auf der Mozart-Violine, Florian Simma (Cello), und Werner Neugebauer (2. Violine) spielten wir in Tokio ein Konzert mit Werken von W.A. Mozart in der rund 800 Plätze fassenden ausverkauften Dai Ichi Semei Hall (mit weiteren 3000 Interessierten auf der Warteliste!). Hinzu kam als weiterer Höhepunkt der fast einstündige Empfang beim Japanischen Kronprinzen Naruhito. Ich durfte ihm vorspielen, und er war sehr interessiert, weil er selbst auch Bratsche spielt – z. B. jedes Jahr mit dem Gakuen old boys-orchestra sogar live im Fernsehen.

Da waren zwei „Kollegen“ unter sich.

Ja, nämlich auch in einem anderen Sinn. Als einem Musikerkollegen durfte ich ihm meine Transkription der Bach-Suiten überreichen, als Gastgeschenk wäre das nicht standesgemäß gewesen.

Wie kam es eigentlich, dass Sie die Bach-Suiten für Bratsche bearbeitet haben?

Bratschisten haben nicht viel originale Solo-Literatur aus der Zeit Bachs oder Mozarts. So sind wir auf Adaptierungen von Gamben-, Geigen- oder Cellostücken angewiesen. Die sechs Suiten für Violoncello gehören in der Übertragung für Viola zum Standard-Repertoire. Obwohl es von den Suiten an die hundert verschiedene Ausgaben gibt, bleiben die Urtextausgaben nur den Cellisten vorbehalten. Das Autograph, also Bachs Handschrift, ist verschollen, es gibt aber mehrere Abschriften. Eine gering geschätzte ist jene von Bachs zweiter Ehefrau Anna Magdalena, die in meinen Augen aber die höchstwertige ist. An der habe ich mich ausgerichtet. Ursprünglich habe ich nur die ersten drei Suiten für mich selbst bearbeitet. Diese Arbeit hat auch andere Bratschisten sehr interessiert. Da dachte ich mir, jetzt bin ich schon so weit, nun wage ich mich an alle sechs Suiten und stelle meine Erkenntnisse dazu in den Mittelpunkt einer Doktorarbeit. In zwei Jahren hatte ich die gut 400 Seiten neben meiner Familie, dem Orchester und dem Mozarteum Quartett ohne einen einzigen Tag Urlaub geschafft. Überall waren mein Laptop und meine Literatur dabei. Die Suiten wurden 2007 bei Editio Alto veröffentlicht.

Wie ist es Ihnen ergangen, nachdem Sie diese Riesenarbeit abgeschlossen hatten? Fällt man da nicht in ein Loch?

Nur kurz, denn ich habe sehr schnell wieder ein anderes, interessantes Projekt begonnen. Es nennt sich Saudade. Dabei handelt es sich um den Salzburger Komponisten Sigismund von Neukomm*, ein Zeitgenosse Mozarts, der von 1816 bis 1821 am Kaiserhaus in Rio de Janeiro tätig war. Wir werden in Mattsee beim Diabelli-Sommer mehrere Werke von ihm aufführen.

Bei diesen Forschungsarbeiten müssen Sie die Quellen studieren. Ist das schwierig?

Der Zugang ist am Anfang schwierig, sobald man jedoch die Kontakte geknüpft hat und bei den zuständigen Stellen diverser Staatsbibliotheken bekannt ist, gestaltet sich das einfacher. Da darf ich dann die Originale ansehen und studieren. Ihre musikalischen Kontakte sind inzwischen auch sehr weitreichend. Das ist richtig. Durch meine früheren Tätigkeiten bei verschiedenen Ensembles, wie dem Concentus musicus des Nikolaus Harnoncourt, dem Clemencic Consort oder der Wiener Akademie – nur um einige zu nennen – werde ich immer wieder für Projekte angefragt. So werde ich heuer bei den Salzburger Festspielen in der Zauberflöte mitwirken, die vom Concentus musicus gespielt wird. Es bilden sich Netzwerke und entwickeln sich Freundschaften. Zum Beispiel habe ich Marc Minkowski beim Clemencic Consort noch als Fagottisten kennengelernt. Auch er lädt mich immer wieder ein, eben erst für drei Konzerte im Wiener Konzerthaus mit allen Schubert Sinfonien.

Nun geben Sie sich nicht nur mit dem Spiel auf der normalen Viola zufrieden, sie beherrschen auch die Viola d’amore.

Sie beziehen sich jetzt auf meine Mitwirkung bei den Festpielen 2009, wo ich auf der Pernerinsel das Solo in der Vivaldi-Oper Judith spielen durfte.

Bestehen Unterschiede in der Spielweise?

Es sind zwei ganz verschiedene Instrumente, daher gibt es auch nicht sehr viele Viola d’amore-Spieler. Zudem gibt es auch wenige Instrumente. Sie ist ein bisschen größer, höher, hat einen längeren Hals und zwischen fünf und sieben Saiten. Diese verlaufen aber nicht nur über einen Steg, wie wir es von der normalen Viola kennen, sondern auch unterhalb als sogenannte Resonanzsaiten. Diese erzeugen den hellen Echoklang. Außerdem ist sie anders gestimmt. Die Bogenführung ist eine andere und der flache Winkel des Steges erfordert viel Übung.

Bei wem haben Sie dieses Instrument studiert?

Zum Teil im Selbststudium und bei Christoph Angerer in Wien.

Besitzen Sie ein eigenes Instrument oder muss es ausgeliehen werden?

Wie gesagt, Violen d’amore sind rar, dennoch ist es mir gelungen eine zu kaufen. Sie stammt aus dem Jahr 1715 und ist ein Werk des berühmten bayrischen Geigenbauers Paulus Alletsee.

Vielen Dank für das Gespräch. Ich wünsche Ihnen noch viele spannende und interessante Projekte.

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