Eine Frau mit starkem Wir-Gefühl

Irina Rusu im Gespräch mit Peter Branner

In dieser Ausgabe dürfen wir Ihnen wiederum ein neues Mitglied des Mozarteumorchesters vorstellen, das nach bestandenem Probejahr nun ordentliches Mitglied des Orchesters ist. Wer im Internet sucht, um gut vorbereitet zum Interview zu kommen, findet auf einer Website eine Art Selbstbeschreibung von Irina Rusu: kinderlieb, fröhlich, geduldig. Diese Kriterien mögen bei der Suche nach einer geeigneten Musiklehrerin ausschlaggebend sein, sie sind aber auch im Rahmen eines Gespräches, wie wir es führten, sehr hilfreich und aussage-kräftig.Was die Fröhlichkeit anlangt, kann uneingeschränkt bestätigt werden, dass Irina Rusu schon bei der ersten Begegnung und dann beim Interviewtermin viel davon gezeigt hat. Sie strahlt einfach, wenn sie von der Freude erzählt, nun Mitglied im Mozarteumorchesters zu sein. Einfach dazuzugehören. Ein Ziel, das sie sich seit ganz langer Zeit gesteckt und nun erreicht hat. mIrina Rusu stammt aus Rumänien, genauer gesagt aus Brasov in Siebenbürgen, bei uns besser bekannt unter dem Namen Kronstadt. Einer Stadt mit ungefähr 250.000 Einwohnern und im Süden und Osten von den Karpaten umgeben.

Wann und wie sind Sie zur Musik gekommen?

Meine Mutter unterrichtet Geige und Bratsche an der Musikschule in Brasov, wo auch ich vom siebten bis zum achtzehnten Lebensjahr gelernt habe. In dieser Musikschule wird nicht nur Musik unterrichtet, sondern ebenso alle anderen Fächer. Dies war für mich sehr praktisch, denn auf diese Weise konnten meine Mutter und ich uns in jeder Pause treffen. Mit 6 Jahren begann ich bei meiner Mutter Geige zu lernen und wechselte im Jahr darauf zu Marinela Mugea. Mit acht Jahren hatte ich wöchentlich Privatunterricht bei Univ. Prof. Octavian Ratiu von der George Enescu Universität für Musik in Bukarest, der zwei Tage am Konservatorium in Brasov tätig war. Es war ein Glück, denn dadurch musste ich nicht jede Woche extra nach Bukarest reisen.

Das Musik-Gen haben Sie also von der Mutter?

Ja, aber auch vom Vater. Er hat ebenfalls Geige an der Musikschule unterrichtet und meine Eltern haben sich dort kennengelernt. Bei meinem Vater ist jedoch nach einiger Zeit der Wunsch nach einem Theologie-Studium entstanden. Seit 25 Jahren ist er Priester (Anm. in der rumänisch orthodoxen Kirche) und hat damit eine Tradition fortgesetzt, denn mein Urgroßvater war auch Geiger und Priester. Die Priester in der orthodoxen Kirche dürfen im Gegensatz zur katholischen Kirche heiraten. Zuhause in Rumänien habe ich es so erlebt, dass man bei Problemen zum Priester und nicht zum Psychologen geht. Der verheiratete Priester macht im Grunde ähnliche Erfahrungen wie andere Menschen der Gesellschaft.

Haben Sie auch hier eine Beziehung zu Ihrer Kirche?

In der Robinigstraße ist eine Rumänisch orthodoxe Kirche, übrigens eine sehr hübsche Holzkirche, in die ich gerne gehe und gelegentlich – wenn ich frei habe – auch dort bei größeren Feierlichkeiten spiele. Es ist eine schöne Atmosphäre. Ich treffe dort viele Rumänen, höre die Sprache und in der Messe fühle ich mich innerlich verbunden mit meinen Verwandten, die daheim auch gerade in die Messe gehen.

Sie sprechen sehr gut Deutsch. In Ihrer Selbstbeschreibung habe ich gelesen, dass Sie neben Rumänisch und Deutsch auch Englisch, Italienisch und Spanisch sprechen. Haben Sie diese Sprachen alle an Ihrer Schule gelernt?

Da Rumänisch zu den romanischen Sprachen zählt, sind die anderen Sprachen nicht so schwer zu erlernen. Zumindest nicht so schwer wie Deutsch (lacht), was ich erst hier erlernt habe. Ich habe hier an der Germanistik vier Jahre lang sehr intensiv studiert – drei Mal pro Woche je eineinhalb Stunden und zusätzlich 45 Minuten in einem Sprachlabor.

Wann sind Sie nach Salzburg gekommen?

Gleich nach der Matura bin ich hierher gekommen und habe mit meinem Bachelor-Studium begonnen.

Warum gerade nach Salzburg?

Ich hatte mehrere Städte im Auge. Beim Boston Conservatory of Music hätte ich ein Stipendium bekommen, allerdings nur für ein Jahr, ferner interessierten mich Lausanne und auch London. Im April 2005 habe ich aber hier die Aufnahmeprüfung bei Univ. Prof. Jürgen Geise geschafft, damit waren die Würfel gefallen. Jürgen Geise habe ich sehr viel zu verdanken. Seine Art hat mir sofort gefallen. Er hat mich gleich in sein Ensemble CIS aufgenommen und mir viele andere Möglichkeiten für das Kammermusikspiel eröffnet. Obwohl ich damals kein Wort Deutsch konnte, habe ich mich sofort in diese Stadt verliebt. Es ist die Stadt Mozarts und das hohe Kulturniveau, das man hier finden kann, ist für eine Musikerin ein Traum. So habe ich mich entschieden, in Europa zu bleiben.

Sie haben Ihr Studium dann bei Mayumi Seiler fortgesetzt.

Die Zeit bei ihr war sehr lehrreich und ich habe ihren Unterricht sehr genossen. Leider wurde sie nach einem Jahr krank. Glücklicherweise hat Frank Stadler die Professur übernommen. Nach Abschluss meines Masterstudiums wurde ich in die Klasse der Schweizerin Esther Hoppe aufgenommen. Sie war Gewinnerin des 1. Preises beim Intern. Mozartwettbewerb in Salzburg und Konzertmeisterin beim Münchner Kammerorchester. So konnte ich noch zwei Jahre ein Postgraduate-Studium absolvieren. Das war ausschlaggebend für mich, denn sie konnte mir sehr viel Selbstvertrauen und den letzten Schliff geben, um ein Probespiel zu schaffen.

Ab wann haben Sie gewusst, dass Musikerin zu sein Ihr Beruf wird?

Das habe ich sehr bald gewusst. Schon im Schulorchester wurde mir klar, dass es nichts Schöneres geben kann, als in einem Orchester eine Sinfonie zu spielen.

War da nie die Frage, ob Solistenkarriere oder Orchestermusikerin?

Nein, wenngleich ich mich bei solistischen Aufgaben auch wohlgefühlt habe. Es war immer die Gemeinschaft, z.B. in der Kammermusik, die mir etwas bedeutete. Schon daheim hat jeder ein Instrument beherrscht und so ist es nicht ausgeblieben, dass ich mit meinen zwei Schwestern und meinem Bruder Quartett gespielt habe. Ich genieße es, in der Gemeinschaft zu spielen. Auch im Studium war ich Mitglied in einem Quartett zusammen mit drei netten Kollegen. Es war das Alba Quartett.

Wie kamen Sie auf diesen Namen?

Alba bedeutet weiß, rein und der Name hat uns gefallen.

Gibt es das Quartett noch?

Leider nein, denn zwei Mitglieder arbeiten und leben inzwischen wo anders. Lediglich eine Kollegin wohnt in St. Gilgen und mit ihr spiele ich noch gelegentlich, allerdings in an-deren Formationen.

Wo haben Sie Orchestererfahrung sammeln können?

Das war einerseits in den Orchestern in Brasov und dann hier im Hochschulorchester, im Ensemble CIS und bei der Jungen Philharmonie (jetzt Philharmonie) von Elisabeth Fuchs sowie in verschiedenen anderen Ensembles.

Wie kam es zum Probespiel im Mozarteumorchester Salzburg?

Im Juni 2013 habe ich ein Probespiel absolviert und dann einen Zeitvertrag für ein Jahr erhalten. Allerdings hatte ich schon ab 2010 als Substitutin im Orchester gespielt. Über das Hochschulorchester hatte ich Carsten Neumann, den Stimmführer der zweiten Geigen kennengelernt, der uns gecoacht hat. Wenn ich dort erste Geige gespielt habe, dann war Markus Tomasi, der Konzertmeister, unser Trainer. So hatte es sich ergeben, dass ich als Substitutin im MOS spielen durfte, was für mich nicht nur eine große Ehre, sondern auch die Erfüllung eines Traumes war. Jedes Projekt, bei dem ich mitspielen durfte, war für mich ein großes Erlebnis.

Erinnern Sie sich noch an das allererste?

Ja, das war Mahlers Lied von der Erde. Im Juni 2014 habe ich dann das Probespiel für die Fixanstellung gewonnen.

Wie ging es Ihnen bei den Probespielen? Ich stelle mir vor, dass man sehr aufgeregt ist, wenn man hinter einem Vorhang spielen soll.

Die Aufregung ist tatsächlich immer sehr groß bei mir, denn es geht um eine Entscheidung für mein Leben.

Gibt es bei einer normalen Aufführung auch Lampenfieber?

Dies gibt es auch, aber ich empfinde es anders als bei einem Probespiel.

Im Internet habe ich gelesen, dass Schuberts Unvollendete Ihr Lieblingsstück ist. Warum?

Ich habe viele Lieblingsstücke, aber diese Sinfonie von Schubert löst bei mir Erinnerungen an die Zeit im Musikschulorchester aus, wo wir diese Musik gespielt haben. Sie ist melancholisch und sie stimuliert auch ein wenig diese Seite in mir. Sie erinnert mich an meine sehr schöne Kindheit, an meine Mutter und Geschwister. Wir haben zusammen in diesem Orchester gespielt.

Heißt das, Ihre Geschwister sind oder werden auch Berufsmusiker?

Mein Bruder studiert in Salzburg Violoncello (Bachelor), meine Schwester Melania hat Bratsche in Straßburg studiert und meine jüngste Schwester Maria studiert Bratsche und Vocal-Jazz, zuerst in Ohio und jetzt in Delaware.

Haben Sie auch eine Beziehung zum Jazz?

Eine sehr gute, denn mein Onkel ist Jazzpianist. Ich bin damit aufgewachsen, aber ich kann nicht so gut improvisieren. Ich müsste mich mehr damit beschäftigen. Zumindest nehme ich es mir vor.

Haben Sie gelegentlich Heimweh?

Ja, es ist noch immer vorhanden, aber schon leichter geworden. Früher bin ich, sooft es nur ging, nach Rumänien gefahren. Inzwischen fühle ich mich hier zuhause und Salzburg ist für mich zur zweiten Heimat geworden.

Wie schaut Ihre Freizeit aus?

Fahrradtouren, gelegentlich Laufen, im Herbst waren es lange Spaziergänge, aber ich gehe auch auf Berge. Ich möchte gerne mit Schitouren beginnen. Wenn man in Salzburg lebt, bietet sich das unbedingt an.

Das Mozarteumorchester spielt nicht gerade viel moderne Musik, deshalb meine Frage, ob Sie eine Beziehung zur musikalischen Moderne haben?

Für meine Abschlussprüfung für den Master musste ich ein modernes Stück einstudieren. Das war die Solosonate von Pierre Boulez. Am Anfang war das sehr schwierig. Je mehr ich es übte, um es auswendig spielen zu können, umso besser lernte ich es zu verstehen. Die Finger haben dann automatisch richtig gegriffen und plötzlich hat mir das Stück gefallen. Man muss so einem Stück eine größere Chance geben. Mit einem einzigen Anhören wird es nicht gelingen.

Jetzt kann ich auch bestätigen, dass Sie geduldig sind, denn Sie haben meine vielen Fragen beantwortet. Eine letzte aber habe ich noch. Was bedeutet Ihnen Musik?

Musik ist ein Geschenk Gottes.

Stand:

2016