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Ein Glückskind aus Prag

Peter Branner im Gespräch mit Martin Hebr

Es ist naheliegend, zum 25-Jahr-Jubiläum des Vereins der Freunde des MOS ein Mitglied des Orchesters zu befragen, das genau dieselbe Zeitspanne im Orchester wirkt. Unsere Wahl fiel auf den aus Prag stammenden Martin Hebr, dessen Geschichte höchst interessant ist. Warum? 1988 gab es noch einen Eisernen Vorhang und Österreich war für einen (damals noch) Tschechoslowaken zwar erreichbar, aber nicht ohne beträchtliche Hindernisse.

Herr Hebr, was hat Sie seinerzeit bewogen, Ihr Heimatland zu verlassen und wie haben Sie die Flucht geschafft?

In meiner Familie gibt es eine musikalische Tradition. Sie reicht von meinem Großvater, der Fagottist war bis zu meinem älte ren Cousin, der Konzertmeister im traditionsreichen tschechischen „Kammerorchester ohne Dirigenten“ und später der Tschechischen Philharmonie war. Während meines Geigenstudiums am Prager Konservatorium ergab sich die Möglichkeit, u.a. im Gustav Mahler Jugendorchester mitzuwirken. Dadurch konnte ich mit dem Orchester ins Ausland reisen und sozusagen die Luft der Freiheit schnuppern. Da der Staat Devisen benötigte, konnte man gegen Zahlung von 10 US-Dollar einen Tag im Ausland erkaufen. Der Betrag musste aber aus dem Ausland einbezahlt werden. So kaufte ich mir anlässlich einer solchen Auslandsreise vier Tage Aufenthalt im Westen. Und danach bin ich nicht mehr zurückgekehrt.

Nun waren Sie zwar in Freiheit, aber wie ist es Ihnen in diesen Tagen ergangen?

Glücklicherweise hatte ich in Linz und Wien gute Freunde, die mir die erste Zeit sehr erleichterten. Innerhalb dieser 4 Tage war das Probespiel beim Mozarteumorchester, das ich gewonnen habe und somit ein Jahr als Substitut angestellt wurde. Nach dem zweiten Probespiel wurde ich als zweiter Geiger aufgenommen. Sie sehen, ich hatte mehrfach sehr viel Glück. Im Orchester gab und gibt es Kollegen, die unter ähnlichen Verhältnissen nach Österreich gekommen sind. Jiri Pospichal und Miroslav Svoboda-Kalcu haben mir sehr geholfen beim Einstieg in meinen Beruf.

Nun blicken Sie bereits auf 25 Jahre Berufserfahrung im Mozarteumorchester zurück. Welche Veränderungen beobachten Sie?

Rein äußerlich betrachtet, saßen die Kollegen damals in den Proben mit Sakko und Krawatte. Sie waren aber deshalb nicht weniger sportlich als heute. Dann fällt mir auf, dass wir früher mehr Tourneen machten, beispielsweise nach Japan. Inzwischen werden die japanischen Orchester immer besser. Viele japanische Musiker haben bei uns ihre Ausbildung erhalten bzw. haben viele mitteleuropäische Lehrer Musiker in Japan ausgebildet. Das Klischee der Japaner, die anderen Orchester seien besser, gilt inzwischen nicht mehr. Eine Stelle in einem Orchester zu bekommen ist sehr schwer, daran hat sich seit den 80er-Jahren nichts geändert. Überspitzt ausgedrückt: Wenn sich 100 Musiker bewerben und 99 leer ausgehen, dann ist der Gewinner jemand, den man mit einem Spitzensportler vergleichen kann. Bei den Dirigenten sehe ich diese Selektion nicht so. Ich respektiere ihre Ausbildung sehr, aber von den „Basics“ in einem Orchester, wie z.B. von den Ensemble- oder Intonations-Problemen wollen sie oft nichts wissen und meinen, diese Arbeit dem Orchester selbst überlassen zu müssen. Die Generation davor hat diese „Grundarbeit“ mit dem Orchester noch praktiziert.

Im Frühjahr haben wir Sie in einem unserer Kammerkonzerte mit einem Barock-Programm erlebt. Allerdings haben Sie es auf modernen Instrumenten gestaltet. Warum ein Barockprogramm und warum nicht auf historischen Instrumenten?

Ich liebe Barockmusik seit meinen Kindertagen. In Prag habe ich sehr viel davon hören dürfen. Um sie jedoch auf historischen Instrumenten spielen zu können, braucht man eine spezielle Ausbildung, die ich nicht habe. Ich will mich ganz auf meine im Orchester erforderliche Spieltechnik konzentrieren, für die ich mich auch privat immer wieder fortbilde.

Aber sollte man deshalb auf die Freude, Barockmusik zu spielen, verzichten?

Wenn ich an die Resonanz bei unserem Publikum denke und wenn ich für eine Vielfalt an Möglichkeiten der Interpretation eintrete, kann ich Ihnen nur zustimmen.

Was macht Martin Hebr in seiner Freizeit?

Meine besondere Leidenschaft gilt dem Mountainbike. Ich versuche, mich den Herausforderungen, die es mit sich bringt, zu stellen. Einerseits geht es darum, Mut zu entwickeln, andererseits gilt es abzuwägen, wo meine Grenzen sind. Eine spannende Angelegenheit, die mir auch im beruflichen Alltag hilft.

Das Glück möge Ihnen weiterhin in jeder Weise treu bleiben!

Stand:

2013