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Yoshinori Honda-Tominaga im Gespräch mit Peter Branner
Wer das Donnerstagkonzert am 23.4.2015 besucht hat, mag sich gefragt haben, warum Ivor Bolton nach C.M. von Webers viel bejubelter erster Symphonie den Fagottisten Yoshinori Honda-Tominaga an die Rampe gebeten hat. Dem uninformierten Zuhörer war keine besondere Solostelle in Erinnerung, die dies zur Folge hätte haben können.
Nun, es war Yoshinori Honda-Tominagas letztes Konzert als Musiker des Mozarteumorchesters in Salzburg und daher dankte ihm Ivor Bolton vor Publikum sehr herzlich, umarmte ihn und überreichte ihm ein Geschenk. Ein berührender und denkwürdiger Abschied für den bescheidenen und stillen Künstler. Grund genug, mit „Yoshi“, wie er allgemein genannt wird, noch einmal ein Gespräch zu führen, zumal er auch zu den Gründern unseres Vereins zählt und sich unermüdlich für ihn eingesetzt hat. Nicht nur hier, sondern auch in Japan, seiner Heimat.
Sie leben bereits vierzig Jahre in Österreich, sind also hier länger als seinerzeit in Japan. Haben Sie die österreichische Staatsbürgerschaft und fühlen Sie sich als Österreicher?
(Lacht) Nein, ich besitze immer noch die japanische Staatsbürgerschaft, aber von der Mentalität her bin ich eher Österreicher geworden. Obwohl das Japanische spüre ich dennoch in mir.
Was ist das Spezifische für einen Japaner?
Disziplin, Genauigkeit und Höflichkeit. Das vermisse ich gelegentlich, wenn ich von Japan zurückkomme. Was dort sicher öfter zuviel ist, erscheint mir hier oft zu wenig vorhanden zu sein. Das fängt schon am Flughafen an, wenn man ankommt oder wenn man in ein Kaufhaus geht.
Wann sind Sie ins MOS gekommen?
Das war 1977, also vor 38 Jahren.
Wenn Sie von Disziplin und Genauigkeit sprechen, haben Sie diese bei Ihrem Eintritt ins Orchester vorgefunden?
Die Situation war damals für mich und auch für meine jungen Kollegen sehr schwierig, denn da fielen Sätze wie etwa ‚Wer übt, fällt den Kollegen in den Rücken‘ oder ‚Besser sich drei Minuten blamieren als 100 Stunden üben‘. Die älteren Kollegen waren zwar sehr nett, aber für mich war diese Denkweise völlig fremd und schockierend. Glücklicherweise sind diese Zeiten vorüber.
Spricht man musikalisch ein- und dieselbe Sprache, wenn man heute neu ins Orchester kommt?
Philipp Tutzer oder Riccardo Terzo haben sehr schnell die Sprache des Mozarteumorchesters angenommen. Schon beim Probespiel hört man, ob jemand hereinpasst. Dazu gibt es auch noch das Probejahr. Tutzer und Terzo sind Spitzenfagottisten mit Weltniveau und wir sind sehr stolz, dass wir solche Fagottisten im Orchester haben.
Damals, als Sie eingetreten sind, begann man sich mit der Spielweise auf historischen Instrumenten zu beschäftigen. Wie war das für Sie?
Bei den Bläsern begann die Entwicklung nicht gleich. Man hat langsam lernen müssen, zwischen barocken und klassischen Instrumenten und ihrer Spielweise zu unterscheiden. Mit dem Klarinettenkollegen Dr. Birsak haben wir im Museum versucht, auf einem Instrument aus dieser Zeit zu spielen, was so nicht gleich klappte, weil es sich entscheidend von einem modernen Instrument unterscheidet: grifftechnisch, ansatzmäßig oder auch, weil es ein anderes Rohrmundstück besitzt. Den S-Bogen haben wir vom modernen Fagott genommen, ebenso das Rohr. Das war alles falsch. Deshalb habe ich zehn Jahre nach meinem Eintritt im Orchester bei der Scola Cantorum Basiliensis in der Schweiz das Spiel auf dem Barockfagott zu erlernen begonnen.
Haben Sie das im Mozarteumorchester brauchen können?
Nein, aber ich habe nebenbei in Barockorchestern gespielt und weil mich das so sehr interessiert hat, habe ich nach einer geglückten Krebsoperation ein Jahr unbezahlten Urlaub genommen, um in dieser Richtung mehr zu erfahren. Aber die vielen Reisen mit verschiedenen Ensembles haben mich sehr angestrengt und mich müde gemacht.
Sind Sie ein Lampenfieberkünstler?
Ja, aber nicht so, dass ich zittere, doch nach einem Konzert merke ich schon, wie angespannt ich war.
Sie waren nicht nur Gründungsmitglied unseres Vereins, sondern so etwas wie ein Bindeglied zu einem japanischen Freundeverein. Gibt es den noch?
Als Verein gibt es ihn nicht mehr, aber wenn das Orchester nach Japan kommt, kommen alle zusammen.
Wenn Sie so zurückblicken auf Ihre vielen Orchesterjahre, welche Entwicklungen konnten Sie beobachten?
Das war interessant, wenn ich mich diesbezüglich zurück erinnere. Das Niveau des Fagottspiels war ziemlich weit hinten, da gab es zahlreiche Schwierigkeiten. Auch bei den anderen Bläsern. In der Ausbildung der Musiker hat sich in den letzten 20 Jahren viel zum Positiven gewendet. Musikalischtechnisch ist ein sehr hohes Niveau erreicht worden. Stücke, die seinerzeit als unspielbar gegolten haben, spielen Studenten heute schon bei der Aufnahmeprüfung an der Universität.
Ist die Pädagogik heute so fortgeschritten?
Ja und es ist vielleicht auch so wie bei einer Olympiade. Wenn es einer schafft, dann schafft es auch ein anderer.
Es heißt auch, dass Japan heute kein musikalisches Entwicklungsland mehr ist wie ehedem. Sehen Sie das auch so?
Bei den japanischen Orchestern stehen Disziplin und Perfektion noch immer im Vordergrund, aber es fehlt etwas am musikalischen Ausdruck, den die europäischen Orchester besser beherrschen. Damit haben sie sich zuwenig auseinander gesetzt.
War das ein Thema, als Sie seinerzeit nach Salzburg gekommen sind?
Mein japanischer Lehrer hat vorwiegend technik-orientiert unterrichtet. Seine Philosophie war, wenn du technisch alles schaffst, kommt die Musik automatisch. Das hat mich skeptisch gemacht und deshalb bin ich in die Heimat der klassischen Musik gereist, um das zu ergründen. Ich dachte mir, nur Technik in der Musik interessiert mich nicht und habe an meinen zweiten Berufswunsch, Automechaniker zu werden, gedacht.
Ihr Doppelname, in dem Honda vorkommt, würde zum Automechaniker gut passen. Wie kam es dazu?
Mit 21 Jahren wurde ich von Familie Honda, die in keiner Verbindung mit der Automarke steht, adoptiert. Da sie keine männlichen Nachkommen besaß, hat sie mich bei meinem Studium unterstützt, was meine Eltern leider nicht konnten.
Waren Ihre Eltern musikalisch?
Mein Vater war Volksschullehrer und hat Klavier und Geige gespielt, meine Mutter hat gerne gesungen. Beide hatten ein großes Musikverständnis.
Wo in Japan sind Sie aufgewachsen?
In Akita, einer kleinen Stadt, ca. 600 km nördlich von Tokio.
Ich habe gelesen, dass Sie 8 Stunden mit dem Zug zum Unterricht nach Tokio gefahren sind. Das tut man nur, wenn man durch und durch für das Instrument begeistert ist.
Ich habe als Kind verschiedene Instrumente erlernt, als ich aber das Fagott kennengelernt habe, wusste ich sofort, dabei bleibe ich.
Was ist das Besondere am Fagott?
Vom Tonumfang ist es wie eine Männerstimme. Die Klangfarbe ist sehr menschlich, weich und dunkel. Sie ist nicht so vordergründig wie Flöte oder Klarinette und deshalb für mich sehr passend.
Wieviele Instrumente besitzen Sie?
Ich besitze ungefähr 20 Barockfagotte, davon 10 Originale, eigentlich für alle Epochen und Stile das passende Instrument. Kontrafagott besitze ich keines.
Wie wird Ihre nächste Zukunft aussehen?
Ich freue mich auf diesen neuen Lebensabschnitt, damit ich die Dinge tun kann, für die ich bis jetzt keine Zeit hatte. Kammermusikalisch werde ich voraussichtlich noch tätig sein, z.B. im Salzburger Bläsersextett. Da ich – wie schon gesagt – ganz besonders Barockmusik liebe, möchte ich mein Wissen über Aufführungspraxis und Instrumentenkunde vertiefen. Außerdem unterrichte ich noch bis 2016, was ich auch sehr gerne mache. Und ich werde mit meiner langjährigen Lebensgefährtin Beatrice Rentsch, die viele Jahre Flötistin im Mozarteumorchester war und jetzt auch in Pension ist, mehr Zeit in ihrer Heimat bei Basel verbringen.
Wir wünschen Ihnen und Ihrer Lebensgefährtin einen glücklichen Unruhestand! Sie werden uns fehlen.
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