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Wie wird man Mitglied im Mozarteumorchester

Ein Blick in die Reihen des Mozarteumorchesters zeigt: Es gibt viele neue Gesichter. Manche Instrumentengruppen, wie beispielsweise die Cellogruppe, haben in den letzten Jahren einen regelrechten Generationswechsel erlebt. Da stellt sich die Frage: Wie findet das MOS seine neuen Mitglieder und welche Hürden gilt es zu überwinden, bis man festes Mitglied des Orchesters ist?

 

BEWERBUNG

Der Stellenplan des Orchesters legt die Besetzungsgröße der einzelnen Instrumentengruppen genau fest. Das Einstellungg verfahren wird durch den Kollektivvertrag des MOS vorgeschrieben. Vakante Stellen werden in den branchenüblichen Fachblättern und auch im Internet ausgeschrieben. Die Bewerber reichen ihren Lebenslauf, Studiennachweise, Zeugnisse, Nachweise über künstlerische Tätigkeiten (Dienstverhältnisse in anderen Orchestern, kammermusikalische Tätigkeiten, Wettbewerbe) ein. Die Bewerbungsunterlagen werden vom Konzertmeister, dem Stimmführer der betreffenden Gruppe und einem Vertreter des Betriebsrats durchgesehen  und es wird entschieden, wer eine Einladung zum Probespiel erhält. Je nach Stelle kann es bis zu 100 Bewerbungen (oder auch mehr) geben. Eingeladen werden zun Probespiel maximal 30 – 40 Kandidaten. Mit der Einladung werden den Kandidaten die Pflichtstücke, Wahlstücke und Orchesterstellen (kurze Passagen aus verschiedenen Orchesterwerken) mitgeteilt.


PROBESPIEL

Abgenommen wird das Probespiel von einer Probespielkommission. Diese besteht aus dem
– künstlerischen Leiter des Orchesters
– dem musikalischen Leiter des Landestheaters
– einem Konzertmeister
– dem Stimmführer der Instrumentengruppe und
– den restlichen Mitgliedern der Gruppe, für welche die Neuaufnahme erfolgen soll, sowie
– einem Mitglied des Betriebsrats.

Das Probespiel erfolgt in mehreren Runden. Die erste Runde wird immer hinter einem Vorhang und in einer ausgelosten Reihenfolge gespielt. So soll ein Maximum an Objektivität bei der Beurteilung sichergestellt werden.

In der ersten Runde werden das klassische Konzert und möglicherweise eine oder mehrere Orchesterstellen verlangt. Für viele Orchesterinstrumente gibt es ein Solokonzert mit Orchester von W.A. Mozart. Bei Instrumenten, für die das nicht gilt, wird ein klassisches Konzert eines Mozart-Zeigenossen (Haydn, Stamitz, Hoffmeister, Dittersdorf) gefordert. Ein klassisches Konzert zu verlangen ist nicht spezifisch für das MOS, sondern allgemein üblich in Europa. Der Grund ist, dass bei dieser Musik alle wesentlichen instrumentalen Fähigkeiten sehr deutlich herauszuhören sind:
– Intonation (!)
– Rhythmusstabilität und -gefühl
– Tongebung
– Artikulation
– stilistische Korrektheit

An den Orchesterstellen kann man hören, ob das Orchesterrepertoire vertraut ist und ob die im solistischen Repertoire gezeigten Fähigkeiten auch bei der Orchesterliteratur angewendet werden. So bekommt die Kommission in der ersten Runde einen guten Gesamteindruck des Kandidaten.

Alle Beteiligten eines Probespiels stehen unter enormer Anspannung. Die Kandidaten müssen ihre Nervosität kontrollieren und auf den Punkt eine bestmögliche Leistung bringen, um ihre individuellen Stärken zu präsentieren und sich von den anderen Kandidaten abzusetzen. Dies ist durchaus vergleich-bar mit der Wettkampfsituation eines Spitzensportlers. Hier wie dort zählt nur die abrufbare, gezeigte Leistung. Für die Kommission bedeutet ein Probespiel, sich stundenlang die -selben Stücke immer wieder anzuhören, in dem ständigen Bemühen, jedem Kandidaten die gleiche Aufmerksamkeit zu schenken. Es gilt, der enormen Verantwortung, die man den Kandidaten gegenüber hat, gerecht zu werden, immerhin geht es um die berufliche Zukunft dessen, der hier vorspielt!

Am Ende einer jeden Runde stimmen die Mitglieder der Kommission schriftlich nach Punkten von 0 bis 10 ab. Ein Kandidat benötigt mindestens 5 Punkte jedes Stimmberechtigten, um in die nächste Runde aufzusteigen. Nach Auszählung der Stimmen werden das Ergebnis und die Nummern der Kandidaten, die sich für die nächste Runde qualifiziert haben, bekannt gegeben. Wenn kein Kandidat den hohen Erwartungen entspricht und genügend Punkte für eine weitere Runde hat, wird an dieser Stelle das Probespiel abgebrochen und die Stelle erneut ausgeschrieben.

Wenn es eine zweite Runde gibt, muss nun entschieden werden, ob mit oder ohne Vorhang weitergespielt wird. Was spricht dafür, mit oder ohne Vorhang weiterzuspielen?

Musiker sind keine Maschinen oder Nummern, sondern Menschen und um jemand beurteilen zu können, möchte man auch sehen, wie derjenige mit seinem Instrument umgeht und sich als Künstler präsentiert. Gerade wenn eine Sol bläser- oder Stimmführerposition zu besetzen ist, spielt die Körpersprache eine wichtige Rolle, schließlich geht es auch darum, hinterher im Orchester eine Stimmgruppe zu führen. Geschlecht, Nationalität oder Aussehen dagegen sind absolut keine Kriterien.

Erfahrungsgemäß kommen, wenn es eine weitere Runde gibt, rund 10 – 20 Prozent der Kandidaten von der ersten in die zweite Runde. In dieser wird das Konzert nach Wahl (eine Liste der möglichen Wahlstücke wurde den Kandidaten mitgeteilt) gespielt. Bei Streichern wäre das z. B. für Geige ein großes romantisches Konzert (Brahms, Sibelius), für Bratsche (Bartok, Hindemith), für Cello (Dvořák), bei Bläsern für Oboe (Schumann), für Horn (Strauss) usw. Meist werden
auch wieder mehrere Orchesterstellen verlangt, die andere Schwierigkeiten als die der ersten Runde beinhalten. Manchmal hat man nach der zweiten Runde bereits einen klaren Gewinner des Probespiels, in anderen Fällen sind weitere Runden notwendig, um diesen zu ermitteln. Es kann auch durchaus vorkommen, dass nach einer dritten Runde ein Probespiel erfolglos abgebrochen wird, weil schlussendlich kein Kandidat restlos überzeugen konnte.

Am schönsten ist es natürlich am Ende eines oft langen Probespieltages einem neuen Orchestermitglied zu seiner Stelle gratulieren zu können. Die Reaktionen über ein gewonnenes Probespiel auf Seiten der Kandidaten reichen von ungehemmter Freude bis zu Fassungslosigkeit oder auch Tränen, was einmal mehr zeigt, unter welcher Anspannung und welchem enormen mentalen und emotionalen Druck die Kandidaten im Probespiel stehen. Ich glaube, dass es wenige Berufe gibt, bei denen ein Einstellungsverfahren derart nerven belastend und stressig ist wie bei Orchestermusikern.


PROBEJAHR
Der Probespielgewinner bekommt nun einen befristeten Dienstvertrag für eineinhalb Jahre. In diesem „Probejahr“ muss das neue Mitglied zeigen, dass es die im Probespiel gezeigten instrumentalen Fähigkeiten auch im täglichen Orchesterdienst umsetzen kann. Im Orchesteralltag kommen allerdings noch weitere Faktoren hinzu. So ist es wichtig, die Stücke vor der ersten Probe gut vorzubereiten, in der Lage zu sein, kontinuierlich im Orchester eine sehr gute Leistung zu erbringen, aber auch Teamfähigkeit und soziale Kompetenz sind gefragt. Der beste Instrumentalist bringt einem Orchester nichts, wenn er nicht fähig ist, im Kollektiv zu arbeiten. Das bedeutet für einen Solobläser oder Stimmführer, sowohl solistische Aufgaben im Orchestersatz zu erfüllen als auch seine Gruppe zu leiten, und für einen Zweiten Bläser oder Tuttisten bei den Streichern, ein Maximum an musikalischer Gestaltung bei gleichzeitiger Integration in das Gesamtorchestergefüge zu erbringen.

Nach sechs Monaten wird eine Zwischenbesprechung der Probespielkommission abgehalten, in der diskutiert wird, ob das neue Mitglied die Erwartungen erfüllt. Falls es Kritikpunkte gibt, werden diese dem Mitglied mitgeteilt, um ihm die Möglichkeit zu geben, darauf zu reagieren und in der verbleibenden Probezeit eventuelle Schwächen zu korrigieren. Vor Ablauf eines Jahres kommt die Probespielkommission erneut zusammen, um über das Probejahr und damit die dauerhafte Anstellung abzustimmen. Ist die Abstimmung positiv, ist das neue Mitglied „Dienstnehmer mit Anwartschaft auf eine Planstelle“ und nach drei Jahren „Planmäßiger Dienstnehmer“. Im Fall eines negativen Abstimmungsergebnisses endet das Dienstverhältnis.

FESTANSTELLUNG

Die Hürden auf dem Weg zur Mitgliedschaft im MOS sind beträchtlich. Daher sind wir auch besonders stolz auf unsere neuen festen Mitglieder, die dieses schwierige Prozedere erfolgreich durchlaufen haben. Diese werden Ihnen regelmäßig in den Vereinsnachrichten im Interview und auf unserer Webseite vorgestellt.

Jedes einzelne Mitglied unseres Orchesters leistet seinen Beitrag zum Klang des Orchesters, zum Gelingen der Konzerte und zur Einzigartigkeit des Mozarteumorchesters.

8. Juli 2012