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Südamerika-Tournee mit Leopold Hager und Till Fellner

Südamerika – denken wir dabei nicht alle an Karl May­Romantik, an weite Steppen, Gauchos und Steaks – aber auch an Copacabana, Zuckerhut und Samba.  Dahin also brach das Mozarteumorchester am 27. Mai 1998 auf, um mit Leopold Hager und dem jungen Wiener Pianisten Till Fellner das Land im Sturm zu erobern.

Vom Orchesterhaus nach München, über Lissabon nach Sao Paulo führte uns die Anfangsroute nach Rio. Um ein Haar wäre bereits in Sao Paulo Endstation gewesen. Die Zollbehörde wollte einige Musiker nur einreisen lassen, wenn sie ihre selbst mitgeführten Instrumente dem Zoll zur Kontrolle überließen. (Der Großteil der Instrumente wird in orchestereigenen Kisten transportiert.) Die Übergabe sollte erst wieder im Flugzeug stattfinden. Wir weigerten uns standhaft und Herr Wolfram (der ehemalige Geschäftsführer des Mozarteumorchesters, der gegenwärtig als Tourneemanager alle Aktivitäten außerhalb Salzburgs betreut) versuchte, mit viel Courage und schönen Worten das Schlimmste zu verhindern. Die Dame von der Brasilianischen Agentur tat auch ihr Bestes und siehe da – ein Griff in die Handtasche, ein paar Scheine wechselten den Besitzer und in 10 Minuten war die ganze Sache erledigt. Wir mussten kurz unsere Instrumentenkoffer öffnen und erwischten ganz knapp noch unser Flugzeug nach Rio. Und die Moral von der Geschichte: Bist du in südlichen Gefilden, vergiss das „Bakschisch“ nicht!

Nach gut 28 Stunden waren wir dann am Zielpunkt unseres ersten Konzerts, in Rio de Janeiro.

Rechtschaffen müde erholten sich einige von uns am Pool des sehr schön gelegenen Hotels „Gloria“, andere wiederum entspannten sich beim „Joggen“ am Strand. Bis zu den Stränden der „Copacabana“ kann man sich nicht genug satt sehen. Nach einem üppigen Frühstücksbuffet am nächsten Morgen war „Sightseeing“ angesagt. Kleine Gruppen trafen sich entweder beim Zuckerhut oder bei der Christus­Statue am „Corcovado“. Eine in der Schweiz hergestellte Eisenbahn bringt den Besucher auf den 710 m hohen Berg und beschert ihm einen überwältigenden Panorama-Blick von Rio, der wohl einmalig ist.  Spontan fällt mir Antonio Carlos Jobim’s „The girl from Ipanema“ ein, den ganzen Tag bekomme ich es nicht mehr aus dem Ohr.

Mozarteumorchester Rio de Janeiro

Die Christus-Statue selbst wurde nach 5-jähriger Bauzeit am 12. 10. 1931 vom damaligen Präsidenten Vargas eingeweiht. Das 38 m hohe Monument ist neben dem Zuckerhut quasi das zweite Wahrzeichen Rios. Der Tag endete mit einer Generalprobe für das Konzert in Sao Paulo, da zwei Tage später Reise und Konzert am selben Tag stattfinden und für eine Probe dort keine Zeit ist.

Für das Mozarteumorchester wurde das Konzert am 30.5. 1998 in Rio im Sala „Cecilia Meireiles“ zu einem wahren Triumph. Eine Welle von Applaus trug das Orchester nach der Sinfonie Nr. 96 von Joseph Haydn, dem Klavierkonzert KV 503 und der „Linzer Sinfonie“ von Mozart zu zwei Zugaben. „Magnifico“ hörte man laut in die Stille nach der ersten Zugabe, der „Cassation“ von Mozart – „wunderschön“. Gibt es für einen Musiker ein schöneres Kompliment? Wie hätte Fagott-Vater Rudi Klepac nach diesem Konzert gesagt: „Sagen Sie, glauben Sie, war Erfolg? Irrtum, war Triumph!“ Eine Kritik am Veranstalter sei angebracht: Die Klimaanlage war nicht unter Kontrolle zu bringen. Einigen Musikern blies es permanent auf den Kopf. Trotz Interventionen Seiten des Managements gelang es nicht, dies zu beheben.

Morgen, 31 .5., wartet Sao Paulo auf uns und für den Reiseerzähler wird es Zeit, zu Bett zu gehen. Um 7.00 Uhr geht es bereits zum Flughafen. Die Millionenstadt Sao Paulo (mit ca. 12,5 Millionen Einwohnern die größte Stadt Brasiliens) hat nicht den Reiz und das Flair von Rio und war daher für den „Touristen“ von nicht so großer Bedeutung. Einkaufsstraßen, viele Restaurants und Abgase charakterisieren am besten die Innenstadt.

Zu ungewöhnlicher Stunde, um 18.00 Uhr! versammelte sich das Orchester um Leopold Hager, um das zweite Konzert mit Mozarts „Colloredo-Serenade“, Mendelssohns „Klavierkonzert Nr. 2″ und Beethovens „1. Sinfonie“ zum besten zu geben. Zur großen Verwunderung aller war das „Theatro Municipal“ nur gut zur Hälfte gefüllt. Recherchen ergaben, dass dieses Konzert so kurzfristig mehr oder weniger „eingeschoben“ wurde, dass keine gezielte Reklame möglich war. Noch dazu hatten die Tageszeitungen den Beginn mit 21.00 Uhr angekündigt. Schade, denn das Orchester gab sich keine Blöße und lief mit Markus Tomasi an der Spitze, der auch den Solopart in der „Colloredo Serenade“ souverän meisterte, zu großer Form auf. Das Publikum würdigte die Leistung mit „standing ovations“ und „Zugabe“ -Rufen. Nach einem Ruhetag ging es am 2.6. nach Buenos Aires. Leider hatten in der Zwischenzeit mindestens 1/3 der Musiker einen Erkältungsvirus erwischt, einige mussten sogar einen Arzt konsultieren und mit Antibiotika versorgt werden.

Die zwei Konzerte in Buenos Aires im jeweils ausverkauften „Teatro Colon“ wurden zu wahren Triumphzügen. Das enthusiastische Publikum erzwang in den beiden Konzerten insgesamt fünf Zugaben. Für mich als Südamerika-Neuling verursachte das Gänsehaut, ich werde es nicht so schnell verges sen!

Mozarteumorchester Botschaft Markus Tomasi Till Fellner Leopold Hager Wolfgang SchlachterAm freien Tag des Orchesters gab es von der Österreichischen Botschaft eine Einladung und bei österreichischen Speisen (von der Frau Botschafter selbst zubereitet) und Getränken verbrachten wir einen sehr netten und gemütlichen Abend. Nächsten Nachmittag um 15.00 Uhr ging es dann mit dem Flugzeug nach Porto Alegre. Nach den Millionenstädten waren wir auf die „Provinz“ -Stadt Porto Alegre schon sehr neugierig – mit 2,5 Millionen Einwohnern (incl. Einzugsgebiet) besitzt Porto Alegre allerdings 1/3 der Gesamteinwohnerzahl Österreichs. Das Konzert war diesmal nur zur Hälfte verkauft, wir wussten eigentlich nicht so recht warum. 

Den Abschluss in Südamerika bildete ein Konzert in Blumenau, einer deutsch-stämmigen Provinzstadt, in der allerdings kaum jemand noch Deutsch spricht. Blumenau hat eine Musikschule mit eigenem Orchester, wie mir ein alter Herr in gutem Deutsch nach dem Konzert mitteilte. Mit Stolz erzählte er mir vom Gastspiel des Orchesters vor 8 Jahren in Salzburg im Mozarteum.

Nun hieß es Abschied nehmen von Brasilien, von dessen schöner Landschaft wir viel zu wenig gesehen hatten. Aber eine Tournee ist eben keine Urlaubsreise. Über Sao Paulo ging es zurück nach Europa, nach Porto, von wo uns ein Bus nach La Coruna in Spanien brachte. Noch einmal erlebten wir in diesen 24 Stunden alle Beschwerlichkeiten, die eine Tournee mit sich bringt. Unvergesslich für mich war wieder die Begegnung mit dem Zoll in Sao Paulo. Wie gehabt: Alle Musiker, die ihre Instrumente selbst mitführten, wurden angeleitet, wobei uns wieder die Aufgabe des Schiebens der Orchesterkisten zukam. Wir mussten durch ein Abfertigungszimmer, in das zunächst nur vier Leute hineindurften. Den anderen stellte sich ein Polizist mit drohenden Gebärden in den Weg und wir mussten fast eine Stunde warten. Inzwischen wurden unsere vier Musiker im Abfertigungsraum quasi ignoriert. Der (Vize)-Chef hatte sein Mittagessen ausgepackt, führte ausschließlich Gespräche mit seinen eigenen Leuten und ließ das Mozarteumorchester sein. (Wahrscheinlich hatte er bei der Einreise vom Kuchen nichts abbekommen.) Nach einer Stunde tauchte Gott sei Dank der (Ober)-Boß auf und wieder erwischten wir gerade noch unser Flugzeug. Der Polizeistaat lässt grüßen! Mit einer Erfrischung aus der Dose und Plaudern wird die Wartezeit am Flughafen verkürzt! In der spanischen Hafenstadt La Coruna waren wir in einem guten Hotel am Meer untergebracht und hatten zunächst einen freien Tag zum Regenerieren.

Da die Fußball-Weltmeisterschaft gerade begonnen hatte und Österreich gegen Kamerun auf dem Programm stand wurde kurzerhand Herrn Wolframs Hotel-Suite beschlagnahmt und zur Fußball-Zentrale umfunktioniert. Gemeinsam mit Herrn Hager sahen einige Kollegen das leider sehr schwache Match. Außer dem späten Ausgleichstor der Österreicher war zweifellos der spanische „Rioja“ Höhepunkt des Abends.

Am nächsten Tag fand dann das letzte Konzert der Tournee im „Palacio de Congresos“ statt.
Als wir bereits gestimmt am Podium saßen, bemerkten wir plötzlich das Fehlen von drei Musikern. Wir räumten vorläufig wieder das Podium und harrten der Dinge. Was war passiert?

Die drei Kollegen hatten sich in der Beginnzeit um eine halbe Stunde geirrt, waren noch essen gegangen und daher zu spät gekommen. Otto Strasser, der legendäre ehemalige Vorstand der Wiener Philharmoniker hätte diesen „Lapsus“ sicherlich so kommentiert: „Da sieht man wieder einmal, was am Podium alles passieren kann, gelt.“

Am nächsten Morgen begann unsere Rückreise bereits um 3.30 Uhr und endete nach mehrmaligem Bus- und Flugzeugwechsel um 17.30 Uhr in Salzburg beim Orchesterhaus.

Eine der interessantesten, aber auch· anstrengendsten Tourneen war zu Ende.

Der Verein dankt Herrn Werner Christof für diesen sehr interessanten Bericht.